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Zeitreise-Romane find ich ja durchaus sehr nett. Diese „was wäre wenn“-Gedankenspiele haben was für sich.
So hab ich mich einerseits gefreut, als mir „Zeitriss“ von Christopher Ride in die Hände gefallen ist. Andererseits war da dieses Gefühl: China als Handlungsort. Och nöööö. China hat durchaus eine spannende Geschichte, aber es ist einfach nicht mein Setting.
Dennoch hab ich mich hingesetzt und das Buch (weitestgehend) vorurteilsfrei gelesen. Die Story: Im China der 1860er pfuscht ein Mann aus der Zukunft rum, um China zur Weltmacht zu bringen. Der 2. Opiumkrieg bildet die Rahmenhandlung, dazu kommt (wie man aber erst seeehr spät mitbekommt) die Geschichte um einen geheimnisvollen Baum.
Die Geschichte an sich ist sehr schön geschrieben, sie spielt auf drei Zeitebenen, die alle miteinander verflochten sind. Der Kampf um die Vorherrschaft im China des 19. Jahrhunderts ist spannend dargelegt, die Charaktere sind zum Teil historisch, der Rest – die fiktiven – passt gut in die Story rein.
Jetzt aber zu den ganz großen ABERs:
Der Klappentext ist Schrott!
Das kann ich leider nicht anders sagen. Er suggeriert einen völlig anderen Protagonisten. Die Situation der Gesellschaft, wie sie im Klappentext beschrieben ist, habe ich nirgendwo im Buch wiedergefunden. Wirklich nirgendwo!
Die Hauptperson des Klappentextes ist im Buch tatsächlich eher eine Nebenperson. Dazu kommt, das das, was im Klappentext beschrieben ist, erst im letzten Sechstel oder Siebtel (ehrlich!!!) auftaucht. Man liest also das Buch fast komplett durch und fragt sich: Wann kommt denn der Plot, der im Teaser versprochen worden ist?
Weiteres Manko: Das Buch ist offenbar Teil 2 von mindestens 3. Das wird aber ebenfalls nirgendwo genannt… nicht in einer Einleitung, nicht im Umschlagtext, nicht im Klappentext. Deshalb war ich auch teilweise sehr verwirrt, wenn die Nicht-Hauptperson auf Dinge zurückblickte, die im ersten Teil passiert waren (von dem ich aber nicht wusste). Das Buch stellte sich leider offiziell als einzelstehend dar – hätte ich irgendwo gelesen, dass es ein Teil 2 ist, hätte ich zuerst Teil 1 haben wollen.
Enttäuschend war für mich auch das Ende. Über 500 Seiten wird eine Geschichte aufgebaut, bis ins kleinste Detail beschrieben – und dann kommt kurz vor Ende der doch-noch-Held um die Ecke und rettet die Welt. Sorry, aber das war wirklich unwürdig.
Ich finde es schade, dass ich als Leser zum einen so getäuscht werde (Ungereimtheiten zwischen Inhalt und Klappentext) und zum anderen ein so einfaches Ende serviert bekomme.
Das macht die Geschichte an sich natürlich nicht komplett schlecht – wie gesagt: Sie hat große Stärken… aber insgesamt bleibt ein fader Beigeschmack.
Hier übrigens der Klappentext mit meinen Anmerkungen dazu:
„Wenige Jahre in der Zukunft: Ein unerklärliches Phänomen verwandelt die USA über Nacht in ein Entwicklungsland (echt? hab ich keine Beschreibung von gelesen. Alles scheint hochtechnisiert zu sein). Der Forscher Wilson Dowling entdeckt die Ursache in alten Geschichtsbüchern (nein, tut er nicht! Er wird von anderen darauf hingewiesen! Selbst macht er gar nix!), die offenbar plötzlich eine völlig neue Historie wiedergeben. Dort ist die Rede von einem Mann, der angeblich unsterblich ist und Kugeln mit der bloßen Hand fängt (DAS ist übrigens die Hauptfigur!). Er verändert im Jahr 1898 den Lauf der Geschichte: Mit seinen Fähigkeiten führt er die Rebellen des chinesischen Boxeraufstandes zur Weltherrschaft (hat man in der Zukunfts-Schiene aber nix von gemerkt). Wilson muss einen Weg finden, ihn aufzuhalten. Denn ansonsten wird es die Welt wie er sie kennt, nie gegeben haben.“